Wie klein ist doch der Mensch, dass er sich anmaßt, die Natur beherrschen zu wollen. »Es ist genau umgekehrt«, sagt Petra Ostermann, in deren Werk der Mensch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ihre Landschaftsbilder sind mehr als ein Abbild der Natur – eine Hommage an die Elemente.
Der Mensch - die "Krone" der Schöpfung?
Zu Gast auf Erden
Was auffällt, sind die Farben. Blau, Gelb, Grün und die Töne der Erde, sie kehren immer wieder. Fast automatisch, einem inneren Bedürfnis gehorchend, finden diese Farben ihren Weg auf die Leinwand, wo sie zu einem kraftvollen Ganzen verschmelzen. Zu Licht und Schatten, Himmel, Wiesen und Wäldern, zu Landschaften, in denen der Mensch noch nicht sein zerstörerisches Potenzial entfaltet hat. Doch der Malerin geht es nicht darum, eine ›heile Welt‹ zu entwerfen. Es geht ihr um die Gefährdung der Schöpfung und um die Macht der Erde, deren Kraft letztendlich nicht zu bremsen ist: Die Natur holt sich zurück, wessen man sie beraubt hat. Ganze Serien von »Feuerbildern« sind schon entstanden, die sich alle mit Eruption und Vulkanismus beschäftigen – Hitze und Glut, eingefangen in dunklen, erdigen Rottönen.
Feuer, Wasser, Erde, Luft und – Sand. Sand sei für sie das »fünfte Element«, sagt Petra Ostermann, die schon seit längerem mit diesem »geologischen Überbleibsel« arbeitet, aber vor einigen Jahren dazu übergegangen ist, den »typischen Sand, Lavagestein und Asche, den Boden der Regionen, mit denen ich mich bildnerisch auseinandersetze, zu verarbeiten«. Sand aus der Sahara, der sich in ihren Wüstenbildern findet, Lapilli von den Kanarischen Inseln, aus vulkanischen Gebieten Italiens und Islands. Sand aus Andalusien, aufgeklaubt in der Stierkampfarena von Ronda. Dass sie den Sand anfassen könne, bevor sie ihn zu einem Gemälde verarbeite, vermittle ihr einen besonderen Bezug zu diesen Arbeiten, erzählt sie – eine völlige Identifikation, die sich in den Bildern widerspiegelt.
Petra Ostermann beherrscht ein breites Spektrum der Malerei. Landschaften, figürliche Malerei, Illustrationen und Stilleben bildeten bisher die Schwerpunkte im Werk der Künstlerin. Aquarell- und Acrylfarben sind ihre bevorzugten Materialien, weil sie schnell trocknen und es auch mal gestatten, »aus dem Bauch heraus« einer spontanen Eingebung zu folgen.
Eine »gewisse Experimentierfreudigkeit, die später dazukam« attestiert sie sich im Rückblick, etwa das Verbinden der Malerei mit Collagen oder verschiedenen Werkstoffen, um Variationen ihres Themas zu finden. Das Thema selbst – Naturphänomene und -gewalten, die Tierwelt, die Umwelt im weitesten Sinne – habe sich kaum verändert. Verlagert vielleicht. Bis 1999 bestimmten das Harmonische, das Heitere, das Beschwingte ihr Werk. Sie malte sonnendurchglühte Landschaften und Impressionen, »jetzt bin ich geneigt, tiefgründiger zu werden«. Nur selten sind Personen dargestellt, allenfalls, um der Bildkomposition eine gewisse Spannung zu verleihen.
»Mittagsruhe« heißt ein Gemälde aus einem anderen Werkzyklus, das zwei Weinbauern in der Toskana zeigt, die unter einem Baum Siesta halten, die Gesichter von Hüten verdeckt. »Der Mensch«, sagt Petra Ostermann, »ist in meiner Arbeit nicht unbedingt die Hauptsache, er ist zwar da, doch ordnet er sich unter. « Die Natur sei das Thema, das sie inspiriere, begeistere und beschäftige, weil es unerschöpflich und variantenreich sei. Der Mensch hingegen sehe oft nur sich selbst und nehme nichts mehr um sich herum wahr.
Es sind gerade die Kleinigkeiten, die die unermessliche Tiefe des Universums verkörpern, und uns ist es gestattet, für eine kurze Zeit die Wunder der Schöpfung erleben zu dürfen. »Der Mensch«, sagt sie, »braucht sich nur im Spiegel zu sehen, dann hat er seine Oberfläche. Doch die Natur ist herrlicher als der Mensch.« Oder, wie es Robert Walser formulierte: »Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, bedeutend zu sein. Sie ist es !«
©Berit Kriegs